Noch vor fünfzehn Jahren war der 35mm-Kleinbildfilm, üblicherweise als Typ 135 bekannt, das Aufnahmemedium des Massenmarktes schlechthin, das in der günstigen Einwegkamera genauso wie in vielen professionellen Spiegelreflexkameras zu finden war. Darüber kam das primär im professionellen Bereich genutzte und von nur wenigen ambitionierten Amateuren verwendete Mittel- und Großformat zum Einsatz. Es gab zwar immer wieder Versuche, auch unterhalb des Kleinbildformats noch weitere Größen zu etablieren, zuletzt etwa in Form des Advanced Photo Systems (APS), in der Masse durchsetzen konnte sich davon aber keine. Die ersten Digitalsensoren hingegen waren deutlich kleiner, und im Laufe der Jahre entwickelte sich eine große Bandbreite an verschiedensten Sensorgrößen auf der Suche nach dem jeweils angemessenen Kompromiss aus Preis und Leistung. Früher war zwar nicht alles besser, aber manches dann doch einfacher.
Randwissen: Warum "Vollformat"?
Immer wieder ist in den Medien sowie bei den Pressemeldungen der Hersteller der Begriff “Vollformat” zu lesen. Anders als häufig behauptet handelt es sich dabei nicht um einen reinen Marketingausdruck. Die oft vorgenommene Gleichsetzung mit dem Kleinbildformat ist allerdings auch falsch.
Im Gegensatz zu den Begriffen "Kleinbild", "Mittelformat" oder "Großformat" bezieht sich "Vollformat" nicht auf die absolute Größe, sondern auf die relative.
"Vollformat" war schon immer die Bezeichnung für ein Aufnahmeformat, das den Bildkreis des Objektivs entsprechend dessen Konstruktion komplett ausnutzt, also das "volle Format" anbietet. Der Ursprung liegt bei den Fachkameras, an denen man prinzipbedingt verschiedene Kombinationen von Bildkreisen und Aufnahmeformaten kombinieren konnte. Darüber hinaus wurde es mit der gleichen Bedeutung auch für andere Formate verwendet.
Im Kleinbildbereich erlangte der Begriff in den sechziger Jahren eine breitere Verwendung, allerdings mit anderer Bedeutung als heute. Zu der Zeit wurden einige Kameramodelle produziert, bei denen zwar normaler Kleinbildfilm, aber nur das halbe Format verwendet wurde. Diese Variante bezeichnete man als Halbformat und das volle Kleinbildformat entsprechend als Vollformat.
Mit der Entwicklung der Digitalkamera ist die ursprüngliche Verwendung wieder zurückgekehrt. Die Sensoren waren kleiner als das Kleinbildformat, das Ziel der Hersteller war aber die volle Nutzung des Bildkreises, also die Entwicklung des Vollformats. Da im digitalen Bereich die größeren Formate beim gesamten Marktvolumen quasi gar keine Rolle mehr spielten ist das "Kleinbild-" vor dem Vollformat einfach weggefallen.
Es ist also keine Marketingbezeichnung sondern ein klassischer Begriff, der bei verschiedenen Aufnahmeformaten innerhalb eines Systems durchaus sinnvoll ist, dann aber auch mit der jeweiligen Bezugsgröße angegeben werden sollte. Digital gibt es neben dem Kleinbild-Vollformat auch noch das 645-Vollformat, das im Mittelformatbereich für die Hersteller über lange Zeit das angestrebte Ziel war. Und auch bei den komplett neuentwickelten und auf ein bestimmtes Format abgestimmten Systemen kann man, strenggenommen, vom jeweiligen Vollformat sprechen.
Wer aufmerksam die Datenblätter der Hersteller liest, der findet gerade im Kompaktkamerabereich in den Sensorbezeichnungen Größenangaben, die bei genauer Betrachtung gar nicht stimmen. Die noch recht junge Größenkategorie der 1-Zoll-Sensoren ist weder 1 Zoll (25,4mm) breit noch hoch, und auch die Diagonale erreicht lediglich 15,87mm. Woher kommt also der Name?
Für die Antwort müssen wir in der Geschichte zurückreisen, in die Zeit vor CCD- oder CMOS-Sensoren. Um optische Signale in elektrische Impulsen umzuwandeln verwendete man Elektronenröhren in verschiedenen Bauweisen. Die in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von der Radio Corporation of America (RCA) entwickelte Vidicon entwickelte sich dabei zu einem weit verbreiteten Standardtyp, der von verschiedenen Firmen hergestellt wurde. Als Größenangabe verwendete man den äußeren Durchmesser der lichtempfindlichen Glasfläche, von der allerdings nur ein Teil tatsächlich genutzt wurde. Die Diagonale der verwendeten Fläche war nur etwa zwei Drittel so groß wie der Durchmesser der Röhre und damit der Größenangabe selbst. Dieses Prinzip hat sich bis in die heutige Zeit erhalten.
Welchen Bildwinkel eine bestimmte Brennweite aufzeichnet hängt von der Größe des Aufnahmemediums ab. Durch die Vielzahl an Sensorgrößen im Bereich der Digitalkameras lassen sich allerdings nur schwer Vergleiche anstellen. Aus dem Grund hat sich die Angabe der KB-äquivalenten Brennweite etabliert. Dabei wird die tatsächliche Brennweite mit dem sogenannten Formatfaktor (oft auch Cropfaktor genannt) multipliziert und so die äquivalente Brennweite errechnet, die am 35mm-Kleinbildformat den gleichen Bildausschnitt bedeutet. Dieser Formatfaktor errechnet sich aus der Diagonalen des Sensors im Verhältnis zur Diagonalen des Kleinbildformats:
43,3mm / Sensordiagonale X = Formatfaktor.
Diese Rechnung gilt als Faustformel, da sie beispielsweise die unterschiedlichen Seitenverhältnisse außer Acht lässt.
Bei den Kompaktkameras hat sich als gängige Größe der 1/2,3-Zoll-Sensor etabliert, der von günstigen Einsteigergeräten genauso wie von höherwertigen Kompaktkameras genutzt wird. Die professionellen Kompaktkameras nutzen allerdings in der Regel größere Sensoren. Der früher weit verbreitete, zwischenzeitlich ausgestorbene und von Fujifilm wieder eingeführte 2/3-Zoll-Sensor ist genauso dabei wie die etwas kleineren 1/1,7-, 1/1,8- oder 1/1,63-Zoll-Sensoren. Erst seit kurzem bietet Sony auch eine Kompaktkamera mit einem 1-Zoll-Sensor an.
Immer wieder haben verschiedene Hersteller Kameras mit festem Objektiv und noch größeren Sensoren angeboten, die teilweise noch als echte Kompaktkameras (bspw. Sigma DP1) gelten können, teilweise aber auch recht ansehnliche Größen erreichten (bspw. Sony Cyber-shot R-1). Erst kürzlich (Stand September 2012) wurde von Sony auch eine erste Kompaktkamera mit 35mm-Kleinbildsensor vorgestellt (Sony Cyber-shot RX1).
Am anderen Ende des Größenspektrums gab es schon seit den ersten Digitalkameras für den Massenmarkt Modelle mit noch kleineren Sensoren, die häufig aus dem Bereich der Camcorder und Hybridkameras (kombinierte Photo- und Videokameras) stammten. Zur Zeit sind allerdings nur im absoluten Niedrigpreissegment wenige Modelle mit einem Sensor im 1/3-Zoll-Bereich erhältlich.
Kodak spielte bei der Entwicklung der digitalen Spiegelreflexkamera eine Vorreiterrolle und brachte in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts einiger Modelle sowohl für das Canon EOS, als auch für das Nikon F-System auf den Markt. Dabei wurden verschiedene Sensorgrößen genutzt, alle kleiner als das übliche 35mm-Kleinbildformat. Unter anderem führte man auch die heute noch gebräuchliche APS-C-Sensorgröße (in Anlehnung an das Advanced Photo System) ein.
Das digitale Kleinbildformat wurde erst in unserem Jahrtausend zuerst in digitalen Spiegelreflexkameras, später dann auch in digitalen Messsucherkameras eingeführt. Auf der anderen Seite ist auch das Four-Thirds-Format von Olympus erst seit gut zehn Jahren auf dem Markt vertreten.
Mit dem Aufkommen der spiegellosen Systemkameras kamen zu den traditionellen Sensorgrößen noch weitere hinzu. Das Nikon 1 System verwendet einen 1-Zoll-Sensor, das Pentax Q-System sogar einen 1/2,3-Zoll-Sensor.
Ein einziges Mittelformat hat es nie gegeben, vielmehr handelte es sich um verschiedene Aufnahmeformate mit teilweise deutlich unterschiedlichen Proportionen, für die der jeweils gleiche Rollfilm verwendet wurde. Durchgesetzt hat sich dabei der Typ 120/220, der 61,5mm breit war und Grundlage für die üblichen Formate 645 (dabei wurde das Bild bei horizontal gehaltener Kamera im Hochformat aufgezeichnet), 6x6, 6x7, 6x8, 6x9, 6x12 und 6x17 bildete. Die Angaben beziehen sich dabei auf die jeweilige Bildgröße in Zentimetern, wobei auch hier die tatsächliche Größe kleiner ausgefallen ist. 645, also 6x4,5 hatte beispielsweise eine effektive Größe von 56mm x 42mm.
Von der Digitaltechnik profitierten vor allem die modular ausgelegten Mittelformatsysteme des Formats 645, bei denen das Rückteil getauscht werden konnte und das so die theoretisch einfache Integration von digitalen Rückteilen ermöglichte. Durch die Anfangs kleinen Sensoren waren die Formatfaktoren zum 645er Format kleiner, die Brennweiten gerade im Weitwinkelbereich damit besser abgestimmt. In den ersten Modellen wurden Sensoren in Kleinbildgröße oder noch kleiner genutzt. Später setzte sich das Format 36 x 48 als eine gängige Größe durch. Mittlerweile gibt es auch Mittelformatrückteile, die fast die damalige Größe von 56mm x 42mm erreichen und damit als Mittelformat-Vollformat gelten können.
Schon das digitale Kleinbildformat spielt auf dem Massenmarkt bisher, in Anbetracht des hohen Preises, nur eine untergeordnete Rolle, das digitale Mittelformat hingegen wird fast ausschließlich von professionellen Photographen genutzt.
Bezeichnung | Größe | Seiten- verhältnis |
Formatfaktor | Beispielkameras | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Breite | Höhe | Diagonale | Fläche | KB | 645 | |||
1/3 Zoll | 4,90mm | 3,67mm | 6,12mm | 17,98mm˛ | 4:3 | 7,10 | - | Nikon Coolpix S01 |
1/2,3 Zoll | 6,17mm | 4,55mm | 7,67mm | 28,07mm˛ | 4:3 | 5,60 | - | Standardgröße Kompaktkameras |
1/1,7 Zoll | 7,44mm | 5,58mm | 9,30mm | 41,52mm˛ | 4:3 | 4,70 | - | Canon Powershot S110, G15, Nikon Coolpix P7700, Samsung EX2F |
2/3 Zoll | 8,80mm | 6,60mm | 11,00mm | 58,08mm˛ | 4:3 | 3,90 | - | Fujifilm Finepix XF1 |
1 Zoll | 13,20mm | 8,80mm | 15,86mm | 116,16mm˛ | 3:2 | 2,70 | - | Sony Cyber-shot RX100, Nikon 1 V2 |
4/3 Zoll | 17,30mm | 13,00mm | 21,64mm | 224,90mm˛ | 4:3 | 2,00 | - | Olympus OM-D E-M5, Panasonic Lumix GH3 |
1,5 Zoll | 18,70mm | 14,00mm | 23,36mm | 261,80mm˛ | 4:3 | 1,85 | - | Canon PowerShot G1 X |
Sigma 1,7 | 20,70mm | 13,80mm | 24,88mm | 285,66mm˛ | 3:2 | 1,74 | - | Sigma SD15 |
Canon APS-C | 22,30mm | 14,90mm | 26,82mm | 332,27mm˛ | 3:2 | 1,61 | - | Canon EOS 7D, 60D, 650D, Canon EOS M |
Div. APS-C | 23,70mm | 15,70mm | 28,43mm | 372,09mm˛ | 3:2 | 1,52 | - | Fujifilm X-E1, Nikon D7000, Pentax K-5II, Sony Alpha a77, Sony NEX-7, Samsung NX200 |
Sigma APS-C | 24,00mm | 16,00mm | 28,84mm | 384,00mm˛ | 3:2 | 1,50 | - | Sigma SD1 |
Leica APS-H | 27,00mm | 18,00mm | 32,45mm | 486,00mm˛ | 3:2 | 1,33 | - | Leica M8 |
Canon APS-H | 27,90mm | 18,60mm | 33,53mm | 518,94mm˛ | 3:2 | 1,29 | - | Canon EOS 1D Mark IV |
Kleinbild / 35mm | 36,00mm | 24,00mm | 43,27mm | 864,00mm˛ | 3:2 | 1,00 | - | Canon EOS 1D X, Nikon D4, Sony Alpha a99, Sony RX1 |
Leica S | 45,00mm | 30,00mm | 54,08mm | 1.350,00mm˛ | 3:2 | 0,8 | 1,29 | Leica S |
MF44x33 | 44,00mm | 33,00mm | 55,00mm | 1.452,00mm˛ | 4:3 | 0,79 | 1,28 | Hasselblad H4D31, H5D40, Leaf Aptus II 8, Mamiya M31, PhaseOne P30+ |
MF48x36 | 48,00mm | 36,00mm | 60,00mm | 1.728,00mm˛ | 4:3 | 0,72 | 1,17 | Hasselblad CFV-39, H5D-50, PhaseOne P45+ |
Leaf Aptus II 10 | 56,00mm | 36,00mm | 66,57mm | 2.016,00mm˛ | 3:2 | 0,65 | 1,05 | Leaf Aptus II 10 |
Hasselblad D60 | 53,70mm | 40,20mm | 67,10mm | 2.158,74mm˛ | 4:3 | 0,64 | 1,04 | Hasselblad H5D60 |
PhaseOne IQ160 | 53,90mm | 40,40mm | 67,36mm | 2.177,56mm˛ | 4:3 | 0,64 | 1,04 | PhaseOne IQ160 |
Mittelformat 645 | 56,00mm | 42,00mm | 70,00mm | 2.352,00mm˛ | 4:3 | 0,62 | 1,00 | Analoges Mittelformat 645 |
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